Sepia - Goodbye Tristesse

   
Orkus 12/2007

Die Enttäuschung war groß, als vor einigen Jahren Martin Schindler sein Mantus-Projekt, mit dem er sechs erfolgreiche Alben veröffentlicht hatte, zu Grabe trug. Doch Martin ging seinen Weg konsequent. Er gründete Sepia und probierte neue Ideen aus. Die ersten Resultate präsentiert das Quartett nun mit dem Debutalbum Goodbye Tristesse. Und auch wenn man wirklich nicht sagen kann, dass Sepia dort weitermachen, wo Mantus aufhörte, ist der charakteristische Faden von Martins Musik nicht gerissen. Denn wo bei Mantus erst die Romantik und poetische Feinfühligkeit im Vordergrund standen und mit den Jahren vielleicht mehr und mehr einer immer direkter ausgedrückten Enttäuschung und Wut über gesellschaftliche Missstände Platz machten, kippte das Verhältnis mit der Existenz Sepias in die andere Richtung: Düstere, schwere Gedanken, verzweifelte Bilder eines isolierten, nach Sinn suchenden (und diese Suche vielleicht auch schon aufgebenden) Ichs, Proteste gegen die kalte, egoistische Welt, die uns umgibt, regieren die Texte Martins in schnörkelloser, schonungsloser Direktheit. Und doch ist da nach wie vor ein Hauch von Melancholie, das Glauben an, das Hoffen auf die Kraft der Liebe... Entsprechend die Musik des neuen Projektes: Harter, druckvoller Rock, rhythmische Gitarrenarbeit, Riffs, die man dem sogenannten Nu Metal zuschreiben kann, und eine völlig verwandelte raue, rohe, kratzige, sich überschlagende Stimme von Tina, was übrigens richtig gut klingt! Trotzdem bleibt auch Melodie, mischen sich zarte, zerbrechliche (Unter-) Töne in die Härte der Gitarren, bleiben die Songs im Ohr, ist plötzlich sogar Platz für eine Ballade und variieren die Kompositionen detailreich. Martin, der auf Goodbye Tristesse den Platz am Mikro vollkommen seiner Schwester überlässt, hat es verstanden, typische Elemente vorhandener, gerade aktueller "Schubladen" nicht einfach zu kopieren, sondern sie mit seinem individuellen Musikverständnis zu verweben und etwas Eigenes daraus zu schaffen. Damit nicht genug: Neben den zwölf Liedern enthält Goodbye Tristesse einen Videotrack zu Keine Worte. Cover- und Bookletgestaltung sind an dieser Stelle ein Extralob wert, weil sehr ästhetisch und filigran umgesetzt und den Gesamteindruck der Veröffentlichung positiv abrundend.
Kurzum: Eine gelungene Rückkehr!

(9)
Axel Schön
   
Zillo Musikmagazin 12/2007

Nun ist es also da, das von den Fans schon mit Spannung eiv wartete Debütalbum der Nachfolgeband von Mantus. Und einfache Kost ist es nicht gerade, die uns Martin Schindler mit "Goodbye Tristesse" auftischt. Schwermütige, tiefgründige Texte treffen auf dunkle Pianophrasen und schwere Gitarrenriffs; das wohl dosierte Nu-Metal-Gebolze in den Stücken verhindert dabei ein Abdriften in allzu triefendes Pathos und sorgt für ein erfrischendes Wechselbad der Gefühle. Dabei sind die Songs nicht unbedingt als Mitsingnummern, sondern eher als theatralische Mini-Dramen konzipiert. Man muss sich also schon etwas Zeit nehmen, um dem Album wirklich gerecht werden zu können. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Stimme von Sängerin Tina, die mich in ihrer rohen Rezitation an eine Mischung aus einer weiblichen Version von Tilo Wolff und der punkigen Seite von Nina Hagen erinnert. Eine "schöne" Stimme ist es nicht unbedingt. Dennoch: Sie hat etwas, wenn man sich nur darauf einlässt. Die Produktion ist hingegen über jeden Zweifel erhaben und klingt satt aus den heimischen Boxen. Sepia sind eine interessante Herausforderung für die Ohren und sehr weit von den typischen Gothic-Metal-Klischees entfernt. Ein ausgeprägtes Faible für Theatralik und die dunklen Seiten des Lebens sollte man aber schon mitbringen - für Evanescence-Fans dürfte das eher nichts sein.

Kasprzak
   
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SEPIA, das ist anno 2007 die etwas andere Gothic Metal-Band. Wo die Mehrzahl der Szenevertreter auf orchestralen Bombast und Sopran-Stimmen setzt, da kontern SEPIA mit Nu Metal-Einflüssen, Versatzstücken aus Electro oder gar Industrial und selbst Alternative-Auswüchse sind zu vernehmen. Hier sind unüberhörbar musikalische Kinder der Neunziger am Werk.

Dieser ungewöhnliche Sound lebt von seinen Kontrasten, wenngleich man SEPIA nicht gerade das Attribut unberechenbar verleihen kann. Im Gegenteil, das Grundkonzept eines SEPIA-Songs hat man relativ schnell durchschaut. Mörderisch bratende Gitarren und ein dämonischer Groove in den Instrumental-Passagen, setzt jedoch Tinas Gesang ein, nimmt sich die Band zurück und schafft Raum für Melancholie und - natürlich - Tristesse.

Ausnahmen bilden die ruhiger gehaltenen Stücke Melancholie und Was bleibt, die zwar keinen Stilbruch darstellen, aber doch eine konservativere Seite der Band in den Vordergrund stellen.

Relativ schnell erreiche ich jedoch einen Punkt, an dem ich mich außerstande sehe die Objektivität weiter zu wahren.

"Goodbye tristesse" ist ein Album, dass mich emotional tief berührt, und es tut mir nicht wirklich gut. Atmosphärisch aber noch mehr hinsichtlich der Texte reißt das Werk bei mir Schutzmauern ein, die derzeit besser bestehen bleiben würden.

Es schmerzt, dieses Album zu hören und wie in einem Spiegel das eigene seelische Befinden reflektiert zu bekommen. Die allumfassende Finsternis, die unterschwellige Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit, die einem den letzten Funken Glauben an einen Sonnenaufgang am nächsten Morgen raubt.

Ich habe den Drang dieses Album weit von mir zu weisen, um mich selbst zu schützen und dann erliege ich doch immer wieder seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft, tauche ein und ertrinke in diesen pechschwarzen Ozean unangenehmer Stimmungen und Gefühle. Hier wird die Grenze der noch gesunden 'Lust am Leiden' weit überschritten.

Verzweifelte Hilfeschreie verhallen ungehört und in Himmel manifestiert sich die Hymne verwundeter Seelen 'Ich brauche den Himmel in meinen Gedanken, ich brauche die Sonne am Ende der Nacht. Schenke mir einen besonderen Tag.'

SEPIA haben mir subjektiv mit "Goodbye Tristesse" ein besonderes Album geschenkt. Ein Album, das ich, selbst wenn es sich überhaupt nicht gut anfühlt, für den Rest meines Lebens nicht mehr los werde. Ein akustisches Abbild meiner Empfindungen im Herbst 2007.

Martin Schneider